Die Gemeinde Rümlang will, dass die Emissionen des Flughafens von allen getragen werden und dass
die Nachtruhe verbindlich eingehalten wird. Bild: Flughafen Zürich AG
25.08.2023 06:00
«Ein allfälliger Abstimmungskampf zur Pistenverlängerung wird auf jeden Fall intensiv»
Am Montag befindet der Kantonsrat über die Pistenverlängerungen am Flughafen. Rümlang wehrt sich dagegen. Warum mehr Flugbetrieb befürchtet wird, erklärt Gemeindepräsident Peter Meier-Neves im Gespräch.
Herr Meier-Neves, der Kantonsrat hat den Entscheid im Juni vertagt, der Entscheid der KEVU war äusserst knapp. Kommenden Montag sind die Pistenverlängerungen des Flughafens Zürich nun erneut im Kantonsparlament traktandiert. Diese sind stark umstritten, politisch, aber auch aus geografischen Gründen. Die bürgerliche Mehrheit des Rümlanger Gemeinderates gehört zwar nicht zu den politischen Gegnern. Da Rümlang als Nachbargemeinde vom Fluglärm aber stark betroffen ist, zu den geografischen. Wie geht man in der Gemeinde Rümlang mit dem Zwiespalt, einerseits der Anerkennung des Flughafens Zürich als Wirtschaftsmotor und andererseits der Ablehnung weiterer Ausbauten wegen des Lärms, um? Führt das nicht zu Konflikten?
Peter Meier-Neves: Konflikte sind ja nicht per se schlecht. Es lässt die Türen offen für eine differenzierte Diskussion rund um das Thema der Pistenverlängerung. Ein Konflikt wird erst zum Problem, wenn der gesamte Sachverhalt nur noch von einer Seite her betrachtet wird, sachliche Argumente nicht aufgenommen und negiert werden. Problematische Konflikte entstehen zudem, wenn aufgestellte Regeln permanent verletzt werden.
Unser Flughafen ist wichtig. Er bedeutet Arbeit und Einkommen für viele Menschen in der Region und ist ein Wirtschaftsmotor für den Kanton, aber auch für das gesamte Land. Der Gemeinderat Rümlang anerkennt all diese Punkte seit Jahren und hat dies in all seinen Stellungnahmen immer aufgeführt. Er bekämpft aber auch die weitere Ausdehnung des Flughafens. Diese ist weder notwendig noch sinnvoll und dient einzig einer möglichen zukünftigen Kapazitätserhöhung.
Das oft erwähnte Argument der Sicherheit lässt sich natürlich leicht verkaufen, trifft jedoch nur bedingt zu. Generell gilt das heutige Pistensystem als sicher, andernfalls würde der Flugbetrieb gar nicht stattfinden. Die Variante mit dem grössten Nutzen für die Sicherheit (straight 16) hat der Flughafen bereits im Betriebsreglement 17 erwähnt und auch beantragt. Diese Variante lässt sich aus politischen Gründen offenbar nicht umsetzen. Offensichtlich sind politische Interessen wichtiger als die viel gepriesene Sicherheit.
Die Gemeinde Rümlang fordert vom Flughafen vor allem eine verbindliche Zusage, dass keine weiteren Kapazitäten ausgebaut werden und dass die Nachtruhe ab 23 Uhr künftig eingehalten wird. Ist das Argument des Flughafens, es gehe beim Pistenausbau nur um die Sicherheit und dass damit Verspätungen seltener würden, nicht Zusage genug? Was bräuchte es konkret und könnte der Flughafen ein solches Versprechen überhaupt einhalten?
Der Gemeinderat fordert auch, dass der Fluglärm nicht weiter umverteilt wird und bereits stark betroffene Regionen mit noch mehr Fluglärm «beglückt»werden. Vom Flughafen profitieren schlussendlich alle, darum fordern wir auch, dass die Emissionen durch alle getragen werden.
Zu Ihren Fragen. Die Nachtruhe ab 23 Uhr ist eine verbindliche Auflage. Die müsste heute schon eingehalten werden. Der Flughafen verletzt diese jedoch fast täglich. Das geht nicht. Einem Autofahrer, der täglich wichtige Regeln verletzt, wird der Ausweis entzogen. Wenn Banken Gesetze dauernd missachten, verlieren sie ihre Lizenz. Nachtruhe ist wichtig für die betroffene Bevölkerung, hier wird unsere Gesundheit bewusst aufs Spiel gesetzt. Mündliche Zusagen reichen nicht, wenn nicht einmal schriftlich festgelegte Auflagen genügen. Wie überall braucht es nicht nur Regeln, sondern auch eine Behörde, die Missstände aufdeckt und entsprechend sanktioniert.
Falls der Kantonsrat sich für den Ausbau der Pisten ausspricht, ist das Referendum wahrscheinlich. Werden die Gemeinde Rümlang und andere Flughafengemeinden dieses ergreifen? Gib es dafür schon Pläne?
Warten wir ab, was passiert. Unter Umständen erkennen einige Kantonsräte doch noch, dass weiteres Wachstum mehr schadet als nützt. Ein grösserer und stärker benutzter Flughafen bringt eben auch mehr Emissionen, mehr Verkehr, mehr Arbeitsplätze und dadurch mehr Wohnungen, Schulen, Strassen und führt schlussendlich zu einer Verstädterung.
Falls es zur Volksabstimmung kommt, wie schätzen Sie die Chancen für ein Ja oder Nein dazu ein? Könnte das Resultat deutlich werden oder eher knapp?
Persönlich gehe ich schon davon aus, dass es zu einer Volksabstimmung kommen wird. Wie die Chancen für ein Ja oder Nein stehen, ist im Moment nicht wichtig. Ein allfälliger Abstimmungskampf wird in jedem Fall intensiv.
Wie sieht es aus in Rümlang nach der Pandemie und nach diesem reisefreudigen Sommerhalbjahr. Ist der Lärm weniger als vorher, etwa gleich oder gefühlt sogar mehr?
Gut ist, dass wir wieder ohne Masken rumlaufen können und dass die Normalität für die meisten wieder zurückgekommen ist. Während der Pandemie war es tatsächlich sehr ruhig, teilweise sogar etwas idyllisch. Der Flug- und Betriebslärm des Flughafens ist wieder da, gehört aber auch in eine Flughafengemeinde. Was aber definitiv nicht dazu gehört, sind die fast täglichen Abflüge nach 23 Uhr und die scheinbare Hilflosigkeit der dafür verantwortlichen Stellen.
Interview: Bettina Sticher