03.02.2023 00:05
In diesem «Roadmovie» kann man sich noch einbringen – gute Anregungen sind gefragt
Auf der Achse Bülach–Eglisau wird in den nächsten Jahren erweitert, saniert und umgestaltet. Im Fall der Ortsdurchfahrt Eglisau können sich Interessierte noch einbringen.
Region. «Sorry – wird spöter, bin im Stau!! Eglisau wie immer!!» Nicht zum ersten Mal schickt Sarah eine solche Meldung über WhatsApp ihrem Freund. Die Staus in der Rheinstadt sind seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner, denn tagein, tagaus quälen sich gut 20 000 Fahrzeuge, davon viele Lastwagen, über die hundertjährige Brücke. Wer insbesondere als Fussgänger in der Rushhour von der einen auf die andere Strassenseite «hüpfen» will, hat es nicht leicht.
Verkehrszunahme in Sicht
Eine Abnahme des Verkehrs auf dieser Strecke ist nicht in Sicht, eher das Gegenteil. Zum Beispiel auch, weil das Rafzer Industriequartier aufrüstet. So realisiert die Onlinehändlerin Digitec Galaxus AG ihr neues Verteilzentrum dort. Der digitale Versandhändler plant über 500 Arbeitsplätze am Ort. Rafz sei verkehrstechnisch sehr gut erschlossen, heisst es auf der Firmen-Webseite. Man mag es mit Blick auf die Ortsdurchfahrt von Eglisau bezweifeln, jedenfalls für diejenigen Mitarbeitenden, die in Richtung Bülach und Zürich pendeln müssen.
Die Hauptverkehrsachse durch Eglisau – die Zürcher- und die Schaffhauserstrasse – ist eine wichtige Verbindung vom Zürcher Unterland in die Grenzregion nach Deutschland und Schaffhausen.
Stark verknüpft mit der Ortsdurchfahrt Eglisau ist der Ausbau der Schaffhauserstrasse auf vier Spuren im Bülacher Hardwald. Im Durchschnitt verkehren auf diesem Abschnitt täglich 28 000 Fahrzeuge. Mit den Vorarbeiten, der Rodung entlang der heute zweispurigen Strasse, hat der Kanton kürzlich begonnen. Gemäss Plan will man mit den Hauptarbeiten gegen Ende 2023 starten. Etwa drei Jahre später, also Ende 2026, fährt der Verkehr dann «ungebremst» in Richtung Rheinstädtchen bei Eglisau. Die Leistungssteigerung auf vier Spuren durch den Hardwald dürfte Eglisau mehr denn je belasten. Es sei denn, die geplante Massnahme wie beispielsweise intelligente Lichtsignalanlagen (LSA) vor der Ortschaft greift.
Hilft die Ampel?
Wie angetönt steuern dereinst mehrere Ampeln den Verkehr durch Eglisau: Die LSA sollen dafür sorgen, dass sich die tägliche Blechlawine nur noch weit vor der Ortschaft staut. Durch das Städtchen selbst solle der Verkehr mittels «Grüner Welle» verflüssigt werden, sagt Stefan Schmon, zuständiger Projektleiter beim Kanton. Roland Ruckstuhl, Gemeindepräsident von Eglisau, traut der Sache noch nicht so recht und ist gespannt, ob das System wirklich funktioniert. Schmon spricht von einem intelligenten Lichtsignal, das je nach Verkehrsaufkommen reagiert: Bei wenig Fahrzeugen bleibe die Anlage auf Grün.
Wie gesagt wird die Leistungsfähigkeit der Verkehrsachse Bülach–Eglisau erhöht, nicht aber die Ortsdurchfahrt im Rheinstädtchen. Deshalb hofft auch der Eglisauer Gemeinderat Felix Baader, dass die geplante Lichtsignalsteuerung mit der «Grünen Welle» durch Eglisau Abhilfe schafft. Nur dann sei diese Ampellösung eine gute Sache, die die örtlichen Bewohner goutieren würden, so Baader im Informationsvideo des Kantons.
Was bringt das zur Hauptsache vom Kanton finanzierte 60 Millionen Franken teure Strassenprojekt sonst noch? Nebst den notwendigen Erneuerungen wird beispielsweise auf einem bestimmten Streckenabschnitt Tempo 30 eingeführt. Eine weitere Lärmmassnahme sind sogenannte Flüsterbeläge auf der gesamten Strecke. Geplant ist aber auch ein separater Fussgänger- und Veloweg, um die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen.
Umleitung von 20 km
Die Sanierung, Erneuerung und Umgestaltung der Ortsdurchfahrt Eglisau sei eine Herkulesaufgabe, betonen die Verantwortlichen beim Kanton. Denn die Bauarbeiten müssen bei fliessendem Verkehr bewältigt werden. Während der dreijährigen Bauzeit steht deshalb jeweils nur die eine Strassenhälfte zur Verfügung. Tausende von Fahrzeugen müssen Eglisau grossräumig umfahren, da eine nahe gelegene Brücke fehlt. Die Umleitung führt von Rafz über die neue Rheinbrücke bei Rüdlingen nach Flaach im Weinland, über Rorbas bis zum neu erstellten Kreisel Chrüzstrass. Das sind rund 20 Kilometer Umweg, die der Automobilist unter die Räder nehmen muss. Mit sogenannt dynamischen Anzeigetafeln wird den Betroffenen während der Bauarbeiten mitgeteilt, ob es sich aufgrund des Verkehrsaufkommens lohnt, die Umleitung oder die direkte Verbindung via Eglisau zu nehmen.
Ein lang gehegter Wunsch
Für viele Eglisauerinnen und Eglisauer gibt es eigentlich nur eine Lösung für ihr Verkehrsproblem: eine Umfahrung. Der Kampf dafür ist schon über 40 Jahre alt.
Bekanntlich hat die kantonale Volkswirtschaftsdirektion in Form einer Machbarkeitsstudie eine Anschlusslösung mit zwei Tunnels, integriert ins bestehende Strassennetz, im letzten Sommer präsentiert. Die aus dem Architekturwettbewerb hervorgegangene siegreiche Calatrava-Brücke hat der Kanton bereits 2020 vorgestellt. Der Calatrava-Wurf über den Rhein, weit abseits vom Städtchen, wäre das architektonische Highlight der Umfahrung. Bei dieser jüngsten Variante würden etwa zwei Drittel der Gesamtstrecke im Boden verlaufen.
Doch bis eine solche Brücke und die zwei Tunnels die Bewohnerinnen und Bewohner entlasten, dürfte es noch Jahre dauern.
Kreditvorlage ausarbeiten
Wo steht das Umfahrungsprojekt? In einem nächsten Schritt muss zuerst eine Kreditvorlage für die Anschlussstrecke ausgearbeitet werden, über die der Kantonsrat zu befinden hat. Die Gegner des Projekts argumentieren insbesondere damit, dass die von der kantonalen Volkswirtschaftsdirektion vorgeschlagene Umfahrungslösung durch ein empfindliches Flussgebiet führe; eine Schutzzone, die im Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLN) aufgeführt sei. Der Eingriff der zwei geplanten Tagebau-Tunnels sei nach wie vor zu massiv.
Für die Umfahrung wird mit Kosten von schätzungsweise rund 275 Millionen Franken gerechnet. Noch muss das Projekt mehrere Hürden nehmen, bis es ausgeführt werden kann. Letztlich werden auch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons Zürich ihren Segen dazu geben müssen. 1985 hat das Zürcher Stimmvolk eine Entlastungsvariante mit einer Hochbrücke für Eglisau abgelehnt.
Roger Strässle