03.02.2023 06:00
Verbesserungspotenzial aus gewerblich-bürgerlicher Sicht
Am letzten Montagabend lud der Bezirksgewerbeverband Dielsdorf zu einer Podiumsdiskussion mit gewerbenahen Kantonsräten und Kandierenden für den Regierungsrat nach Rümlang. Hauptthemen waren Mobilität, Volksschule, Finanzen.
Rümlang. So viele Zürcher Regierungsräte gemeinsam an einem Podium: Michael Ricklin, Präsident des Bezirksgewerbeverbandes Dielsdorf, Organisator des Wahlpodiums, sagte erfreut: «Im ganzen Kanton hat das sonst niemand geschafft.» Am Montagabend waren rund 30 Personen in die Lettenpark AG nach Rümlang gekommen, um mit einem Grossteil der Zürcher Regierung und sieben bürgerlichen Kantonsrätinnen und Kantonsräten aus dem Bezirk auf Tuchfühlung zu gehen. Durch den Abend führte Samuel Ramseyer, Präsident des Gewerbevereins Niederglatt. Den Hauptteil bestritten die Damen und Herren der Exekutive, an die Fragen gestellt werden konnten. Sie gaben sich im Umgang locker und in der Sache ernst.
Städte als Wirtschaftszentren
Regierungsrat Mario Fehr (parteilos) bekannte sich zu einer Verkehrspolitik, «in der auch das Auto Platz hat». In den Wohnquartieren sei Tempo 30 akzeptiert, «aber auf den Hauptverkehrsachsen bin ich für Tempo 50». Auch stimmte er zu, dass man zur Lärmreduktion mit Flüsterbelägen mehr erreiche als mit Tempo 30. «Städte sind nicht nur Lebensorte, sondern auch Wirtschaftszentren», fügte dem Regierungsrätin Carmen Walker Späh (FDP) an, mit Verweis auf die Mobilitätsinitiative von FDP und SVP sowie auf die ÖV-Initiative der FDP.
An Regierungsratskandidat Peter Grünenfelder (FDP) ging die Frage, was man in der Bildungspolitik besser machen könnte. Er nannte drei Themen, die zurzeit Sorgen bereiten: Integration, mangelnde Autonomie, hohe Fluktuation. «Hier muss der Kanton weiterkommen, sich permanent verbessern.» Sein Konzept, um Gewerbeanliegen wie die Senkung der Unternehmensgewinnsteuer beim Volk durchzubringen: «Wir müssen wieder eine bürgerliche Parlamentsmehrheit gewinnen.» Der Steuerwettbewerb werde zunehmen, gab er zu bedenken.
Grundversorgung stärken
Regierungsrätin Natalie Rickli (SVP) konterte die Angriffe aus den eigenen Reihen wegen der Adus Klinik in Dielsdorf. «Alle reden vom Sparen, aber beim Gesundheitswesen sind die Forderungen paradox.» Dass die Klinik keine Steuergelder mehr bekomme, liege am Angebot. Gefragt sei vor allem die Grundversorgung, und diese biete die Adus Klinik als sehr selektives Spital nicht an. «Wir wollen die Grundversorgung in der Region stärken.» Warum der Wettbewerb nicht ermöglicht werde: Das Gesundheitswesen, das hauptsächlich von Steuer- und Prämiengeldern lebe, sei nicht dem freien Markt ausgesetzt, so Rickli. Dass man «bei dem Verkehr» vom Furttal in 15 Minuten nach Bülach ins Spital komme, wie Rickli sagte, wurde von Furttaler Anwesenden bezweifelt.
Regierungsrätin Silvia Steiner (Die Mitte) wehrte sich dagegen, dass Bildung «in aller Munde ist», und lobte die Hochschulen und die Berufsbildung. «Die Jungen sind super unterwegs.» Zur Volksschule: «Das Problem ist, dass die Klassen zum Teil sehr heterogen sind.» Das unterscheide sich aber von Gemeinde zu Gemeinde. Weg von der Integration sei keine Lösung, denn das sei ein Verfassungsgrundsatz und zudem im Gleichstellungsgesetz verankert. Sie sei nicht gegen Separation, aber dauerhafte Separation sei keine Lösung. «Die Integration erst später ist viel schwieriger.» Die Gemeinden hätten zudem Spielraum, um Klein- und Förderklassen oder Schulinseln zu führen. Sie appellierte an den Mut, unorthodoxe Lösungen innerhalb des gesetzlichen Rahmens umzusetzen.
Um das Gewerbe als Pfeiler der Gesellschaft zu stützen, stellt sich Regierungsrat Ernst Stocker (SVP) auf den Standpunkt: «Wir müssen jetzt bezahlen, was wir bestellen.» Dass der Kanton Zürich finanziell trotz Pandemie so gut dastehe, sei der guten Wirtschaftslage und der Ausschüttungen der SNB zu verdanken. «Wir leben in einer ausserordentlich guten Zeit. Wenn es nicht so gekommen wäre, hätten wir acht Milliarden Franken Schulden.» Kein Kanton investiere so viel wie der Kanton Zürich, so Stocker. Viel Geld fliesse auch ins Gewerbe. Jetzt sei der Kanton zu 100 Prozent selbstfinanziert und habe einen grossen Spielraum im laufenden Jahr, zum Beispiel, um die Unternehmenssteuern nochmals zu senken. Zur Frage nach dem Teuerungsausgleich verwies er auf den sehr guten Abschluss. Zudem seien von den Kantonsangestellten viele im Bildungs- und Gesundheitswesen beschäftigt und während der Coronazeit am Anschlag gewesen.
Schwierige Verkehrspolitik
«Verkehrspolitik ist ein permanenter Föhnsturm», sagte Regierungsrätin Carmen Walker Späh. Thematisiert waren Klagen aus der Landwirtschaft, weil immer mehr Kulturland verloren gehe durch Verkehrsinfrastruktur und Naturprojekte. Zum Beispiel die Umfahrung Neeracherried sei eine Herausforderung. «Wir haben nicht mehr viel Raum für Fruchtfolgeflächen.» Die Umfahrungsstrasse müsse aber wegen des Moorschutzes gebaut werden. Auch die Umfahrung Eglisau ist laut der Regierungsrätin ein sehr anspruchsvoller Prozess: «In Eglisau ist alles geschützt, das Ortsbild, der Wald, die Wiesen, die beiden Brücken und so weiter.» Die Mobilität sei ein Schlüssel für die Volkswirtschaft. «Und dazu gehört auch das Auto», bezog sie Stellung. Als gewinnbringend für die Mobilität von morgen und die Arbeitsplätze der Zukunft nannte sie den Innovationspark in Dübendorf.
Statements der Kantonsräte
Die Kantonsrätinnen und Kantonsräte erklärten in kurzen, konkreten Statements, wofür sie sich in der nächsten Legislatur einsetzen wollen. «Die anwesenden Kantonsräte sind alle Mitglied in einem Gewerbeverband, der bei uns angeschlossen ist», begründete Michael Ricklin die Auswahl.
Hans Egli (EDU), Steinmaur, veranschaulichte sein Statement «Leistung muss sich lohnen» mit seiner Ablehnung eines «gewerbefeindlichen Vorstosses» zu einkommensabhängigen Krankenkassenprämien.
Als für sie wichtige Themen nannte Barbara Franzen (FDP), Niederweningen, die «Verbesserung der Mobilität fürs Gewerbe» und «Kein Tempo 30 auf Hauptstrassen». Zudem bekannte sie sich zu den Pistenverlängerungen am Flughafen. Weiter setze sie sich ein für Ressourcenschonung durch Kreislaufwirtschaft unter liberalen Rahmenbedingungen. Weiter: «dass die regionalen KMU beim Bau des Tiefenlagers partizipieren können.»
Karl Heinz Meyer (SVP), Neerach, will sich dafür einsetzen, «dass das Gewerbe von den stabilen Finanzen des Kantons profitieren kann in Form von tiefen Steuern und Abgaben und dass das Gewerbe von den Klimazielen nicht übermässig belastet wird». Beim Verkehr will er sich für eine «passende Infrastruktur» starkmachen und «gegen Tempo 30 auf Hauptstrassen».
Christian Müller (FDP), Steinmaur, nannte als sein Motto: «Ohne Mobilität kein Wohlstand.» Mann müsse die Verkehrswege anpassen und es brauche eine starke Lobby Mobilität und Verkehr. Weiter sei ihm eine starke Berufsbildung ein Anliegen. Zudem setze er sich für tiefe Steuern ein und für den Innovationspark.
Roger Schenk (SVP), Regensdorf, nannte die Planungssicherheit für Unternehmen als wichtigen Faktor. «Durch die Energiekrise, den Fachkräftemangel und die Verkehrssituation wird es immer schwieriger zu planen.»
Jürg Sulser (SVP), Otelfingen, will sich dafür einsetzen, «dass die Adus Klinik auf der Spitalliste bleibt und dass der Bezirk Dielsdorf so bleibt, wie er ist». Zudem ist er für bessere Verkehrswege, zum Beispiel «eine weitere Spur am Katzensee». Ein Anliegen ist ihm auch «eine Senkung des Steuerfusses und generell weniger Abgaben, Gebühren und Bürokratie».
Erika Zahler (SVP), Boppelsen, will sich im Sinne des Gewerbes für die Lehrlingsausbildung und Aufträge vor Ort im öffentlichen Beschaffungswesen starkmachen. Weiter will sie die Innovationen unterstützen, die «durch die Gesetzesflut gelähmt werden».
Bettina Sticher