Watter Brot-Getreideernte wie vor 60 Jahren
Letzten Sonntag wurde in Watt von Ackerbaustellenleiter Adrian Wegmüller die Brot-Getreideernte wie vor 60 Jahren in Angriff genommen. Landwirt Hans Frei zählt zu den Initianten.
Der rund 60 Jahre alte Bindemäher. Bild: Richard Stoffel
Letzten Sonntag wurde in Watt von Ackerbaustellenleiter Adrian Wegmüller die Brot-Getreideernte wie vor 60 Jahren in Angriff genommen. Landwirt Hans Frei zählt zu den Initianten.
Watt/Regensdorf. Ursprünglich hätte die Brot-Getreideernte auf der Parzelle Brandacher in Watt-Oberdorf unter der Leitung von Adrian Wegmüller bereits am vergangenen Samstagnachmittag durchgeführt werden sollen. Doch mehr Regen als prognostiziert hatte für eine kurzfristige Verschiebung um rund 26 Stunden gesorgt. Der Anbau von Getreide wird im Zentrum der Watter Landwirtschaftsausstellung des Watterfäschtes vom 1. bis 3. September stehen.
Mit Hilfe eines rund 60 Jahre alten Bindemähers von Christian Kofel aus Schleinikon im Bezirk Dielsdorf wurde die Winterweizen-Sorte spontan am bis dahin heissesten Tag des Jahres geerntet. Die vom Bindemäher abgelegten Garben wurden von Hand nach der fünften Reihe mittels Deck-Garbe gruppiert. Die Ähren der Deckgarben wurden westwärts ausgerichtet. Dadurch erhielten die sogenannten Puppen den bestmöglichen Schutz vor Wind und Wetter.
«Wenn man auf den Kern beisst und es weich wird, ist es noch nicht gut», erklärt ein Fachmann. Mit einer Feuchtigkeit von 14,5 war am Sonntag die optimale Härte für die Müllerei wegen der Regenfälle vom Vortag noch nicht ganz erreicht. Nach einigen Schönwettertagen werden die Garben umgelegt und in Scheunen zum Trocknen zwischengelagert. Schliesslich soll das geerntete Getreide bis zur Vollreife abtrocknen. Insgesamt werden rund 500 Garben und damit rund 700 kg Brotgetreide bis zum Dreschen am Watterfäscht vom 1. bis 3. September verarbeitet.
Cornelia Frei, Schwägerin der Ehefrau von Landwirt Hans Frei, einem der Initianten des Anlasses, machte Filmaufnahmen der Vorbereitungsarbeiten für das Dreschen am Watterfäscht. Sie betont: «Die heutige Generation kennt die Ausdrücke der Getreide-Produktion kaum mehr. Kaum einer weiss noch, was ein Drescher oder Mäher ist. Und Schüler schon gar nicht mehr. Wenn ein Lehrer nicht aus eigener Initiative das Thema aufgreift und vermittelt, ist das einfach unbekannt.»
An dem als bodenständig geltenden Watterfäscht spielt die Landwirtschaft traditionell eine Hauptrolle, betont der Watter Meister-Landwirt Willi Zollinger. An den drei Festtagen wird auch heuer eine Ausstellung gezeigt und entsprechende Wissensvermittlung geboten. Freis Film wird in einer Endlos-Schlaufe von fünf bis maximal acht Minuten seinen Teil zur Bildung leisten.
Die geschichtlichen Hintergründe sind dabei nicht minder interessant. Als «zeitgeschichtlicher Meilenstein des helvetischen Getreidebaus» wird Mitte des Zweiten Weltkrieges die Anschaffung der Dreschmaschine der Dreschgenossenschaft Watt betrachtet. Die Maschine wurde zwischenzeitlich von Werner Schnellmann aus Sünikon restauriert und wird am Watterfäscht in Betrieb genommen. Der Anbau von Getreide steht im Zentrum der Watter Landwirtschaftsausstellung. Das Thema wurde zum 100-jährigen Bestehen der Boden-Verbesserungen aufgegriffen.
Während des Ersten Weltkrieges (1914 bis 1917) hatte die Schweiz 85 Prozent des Getreidebedarfs aus Europa und der Ukraine importiert. Gegen Ende des Krieges drohte eine Hungersnot. Der Bundesrat veranlasste deshalb seinerzeit die Ausdehnung des inländischen Getreideanbaus. Die Kantone wurden verpflichtet, 50 000 Hektaren mehr Getreide anzubauen, auf den Kanton Zürich fielen rund 3800 Hektaren.
Um dieses Soll zu erreichen, wurden Güterzusammenlegungen angestrengt. Die Gemeinde Watt-Regensdorf war eine der ersten Gemeinden schweizweit, die mit einem historischen Beschluss eine verbesserte Flureinteilung in Angriff nahm, um den Einbezug angrenzender Flächen zu einem bestimmten Grundstück effizienter zu bewirtschaften und den Getreidebau auszudehnen.
Die Ausstellung am Watterfäscht mit einer Sonderschau «Getreide» des Schweizer Bauernverbandes wird bereichert und umrahmt von einer Dokumentation «100 Jahre Melioration (1918 bis 1924)» mit eindrücklichen Plänen und Bildern aus der Zeit der historischen Umsetzung. Es wird einen Rückblick auf das Jahrhundertprojekt der Entsumpfung des Furttals geben.
Die Anbauflächen haben seit dieser Zeit nur abgenommen und die Versorgungsabhängigkeit aus dem Ausland mit dem gleichzeitigen Bevölkerungswachstum in der Schweiz sowie dem Krieg in der Ukraine wieder zugenommen.
Zugleich gibt es neue Wünsche und Anforderungen an die Umweltverträglichkeit der Landschaft. Gewässer-Raumausscheidungen und Bachöffnungen, die Wiederbelebung von Feuchtgebieten und ökologischen Infrastrukturen zu Lasten der Anbauflächen sollen sich wieder den räumlichen Verhältnissen vor 100 Jahren annähern.
Die Ausstellung, so heisst es von Initianten-Seite her, sei «eine Einladung der Landwirtschaft, mit unserer Bevölkerung den Bezug zur Ernährung im Inland zu stärken und auf eine widersprüchliche Entwicklung zu sensibilisieren».
Denn die Folgen der Klimaerwärmung spüren die Bauern nachhaltig. Früher war zuerst die Gerste reif, dann der Raps. Schliesslich folgte der Weizen und am Ende der Hafer. Gerste ist zwar immer noch zuerst reif. Doch danach folgt aufgrund der Klimaveränderung fast alles gleichzeitig, was den Landwirten einen beträchtlichen Zeitdruck zur rechtzeitigen Ernte-Einsammlung des Getreides verursacht.
Richard Stoffel
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